Kommunen auf dem Weg zur grünen Zukunft:
Das Solarkataster als Schlüssel zur nachhaltigen Energieversorgung
PV-Dachanlagen erleben derzeit einen Boom und werden in Zukunft substanziell zur Stromerzeugung beitragen. Die Ziele der Bundesregierung sind klar ausformuliert in der Photovoltaik-Strategie, die im Mai 2023 veröffentlicht wurde: Ab 2026 werden rund 11 GW jährlich auf Gebäuden zugebaut. Damit erfolgt die Hälfte des Gesamtzubaus auf Dachflächen. Ein Solarkataster ist ein nützliches Instrument für Kommunen, um die Nutzung von Solarenergie in ihrem Gebiet zu fördern. Die Stadt Neubrandenburg verzeichnet einen starken Zuwachs an installierter Photovoltaik. Ist dieser Ausbau auf das Solarkataster zurückzuführen? Die LEKA MV kam mit dem Klimaschutzmanager der Vier-Tore-Stadt, Dr. Christian Wolff, ins Gespräch.
Warum hat Neubrandenburg ein Solarkataster erstellt?
Dr. Christian Wolff: Die Konkurrenz um Flächen ist in der Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg groß. Zu den Ansprüchen nach mehr Siedlungs- und Verkehrsflächen kommt im Zuge der Herausforderungen des Klimawandels und der Energiewende der Ruf nach entsiegelten Flächen sowie Flächenressourcen zur fossilfreien Energiegewinnung hinzu. Solaranlagen auf Dächern versiegeln keine zusätzliche Fläche und produzieren den Strom dort, wo er verbraucht wird. Mit unserem Solarkataster machen wir die großen Potenziale in Neubrandenburg sichtbar und stellen Informationen zur Nutzung von Solarenergie für unsere Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung.
Wie wurde diese Potenzialanalyse technisch umgesetzt?
Dr. Christian Wolff: Die Solarpotenzialanalyse für Photovoltaik und Solarthermie auf den Dachflächen der Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg basiert auf der Grundlage einer Befliegung aus dem Jahr 2020. Die aus den Luftbildern extrahierten Daten wurden in ein hochaufgelöstes, dreidimensionales Gebäudemodell zur Erfassung aller städtischen Dachflächen überführt. Dadurch lässt sich die solare Einstrahlung über verschiedene Sonnenstände und Gegebenheiten simulieren und berechnen.
Weiterhin bietet die dreidimensionale Analyse eine realistische Berechnung der solaren Einstrahlung und Abschattung durch umliegende Gebäude und Vegetation. Die Potenzialanalyse des solaren Energieertrages setzt voraus, dass zunächst alle Dachflächen in homogene Teilflächen zerlegt werden, um für die Teilflächen das Solarpotenzial und die Eignung zu ermitteln. Eine homogene Teilfläche verfügt jeweils über eine einheitliche Neigung und Ausrichtung. Störelemente werden dabei ausfindig gemacht und separiert. Über das anzuwendende Verfahren auf Grundlage von Neigungs- und Ausrichtungswerten werden auch Schornsteine, Gauben, Gehölze und andere unterbrechende Strukturen berücksichtigt. Dies ermöglicht die differenzierte Berechnung der Einstrahlung pro homogener Teilfläche.
Gab es Hürden, die die Stadt Neubrandenburg dabei zu bewältigen hatte?
Dr. Christian Wolff: Eher kleine Turbulenzen, wie die Aktualisierung bestehender Geoinformationsdatensätze. Dies ließ sich allerdings schnell beheben.
Wurden denkmalgeschützte Gebäude einer gesonderten Betrachtung unterzogen oder ist Neubrandenburg offen dafür auch auf diesen Immobilien PV-Anlagen zu ermöglichen?
Dr. Christian Wolff: Diese Analyse ist eine technisch/physikalische Berechnung der solaren Potenziale der städtischen Dachflächen. Bautechnische Faktoren wie der Zustand und die Statik des Daches/Gebäudes sowie Einschränkungen im Denkmalschutz, Brandschutz oder gesonderte Ausweisungen im Bebauungsplan wurden auf unserer Datengrundlage nicht erfasst. Sie müssen im Einzelnen geprüft werden.
Wie hoch waren die Investitionskosten und sind die laufenden Kosten im kommunalen Haushalt zu berücksichtigen?
Dr. Christian Wolff: Da die Grundlagendaten (Bilder, Datensätze) für uns als Stadt kostenlos waren und wir die Ergebnisse im eigenen städtischen Geoportal veröffentlichen, lagen die Kosten zur Erstellung in einem überschaubaren mittleren vierstelligen Bereich. Laufende Kosten gibt es dadurch nicht.
Unterscheidet das Solarkataster nach PV-Dachfläche und Solarthermie-Eignung?
Dr. Christian Wolff: Ja. Die Nutzer*innen unserer Potenzialanalyse erhalten sowohl Informationen zu Photovoltaik sowie Solarthermie für die jeweilige Dachfläche. Wir finden die Information sehr hilfreich, um Entscheidungen zu Wärme- oder Stromerschließungen zu treffen.
Die Kleingartenanlagen wurden nicht berücksichtigt, warum?
Dr. Christian Wolff: Das hat mehrere Gründe: I) das Solarkataster soll in erster Linie für Wohnen und Gewerbe von Nutzen sein. Wohnen ist laut Bundeskleingartengesetz im Kleingarten nicht erlaubt. II) Viele der bestehenden Stromanlagen in den Gartenvereinen sind technisch nicht auf dem neuesten Stand. Solarkraftwerke würden ihren Strom eventuell in ein Stromnetz einspeisen, das in Spitzenzeiten dieser Belastung nicht standhalten würde. III) Wirtschaftlichkeit: Im Durschnitt verbraucht ein Kleingarten nicht mehr als 100 kWh im Jahr. Viele Solaranlagen wären bereits verschlissen, bevor die Amortisationszeit endet. IV) Statik: Das Eigengewicht des Solarpanels kann womöglich noch vernachlässigt werden, in Kombination mit Wind- und Schneelasten ist allerdings gerade bei baulich schwachen Kleingärten Vorsicht geboten.
Hat sich die Erstellung des Solarkatasters auf die Installationsleistung ausgewirkt? Wenn ja, wie?
Dr. Christian Wolff: Wir sehen einen stetig wachsenden Anteil an erneuerbaren Energien auf Dachflächen. Inwieweit dieser auf unser Solarkataster zurückzuführen ist, ist aufgrund einer fehlenden Datenerhebung nicht zu sagen.
Wird der Zugriff auf die Daten statistisch erfasst und gab es viele Rückfragen von Bürger*innen und Wohnungseigentümer*innen?
Dr. Christian Wolff: Wir führen Statistiken, wie oft unsere Solarkataster-Website besucht wird. Mit Freischaltung der Potenzialanalyse gab es natürlich am Anfang den größten Besucherstrom. Seitdem haben wir ein hohes und konstantes Verhaltensmuster auf unserer Website. Besonders an Feiertagen und Wochenenden außerhalb des Arbeitsalltags haben wir aktuell die höchsten Zahlen. Rückfragen fokussieren sich größtenteils auf Installationsunternehmen oder mögliche Förderungen.
Vielen Dank für das Interview und die wertvollen Einblicke, Herr Dr. Wolff.
Fazit: Welche Vorteile bringt ein Solarkataster?
- Transparenz und Informationen:
Ein Solarkataster bietet Bürger*innen, Unternehmen und der Kommunalverwaltung wertvolle Informationen über das Solarpotenzial eines bestimmten Gebiets. - Förderung erneuerbarer Energien:
Durch die Bereitstellung von Daten über das Solarpotenzial kann die Kommune das Interesse und die Bereitschaft zur Nutzung erneuerbarer Energien erhöhen. - Planung und Nachhaltigkeit:
Ein Solarkataster kann in die städtebauliche Planung einfließen. Kommunen können so nachhaltige Energieziele in ihre langfristige Planung integrieren und damit die Stadtentwicklung entsprechend gestalten. - Wirtschaftliche Vorteile:
Die Nutzung von Solarenergie kann wirtschaftliche Vorteile für die Gemeinde bringen und die regionale Wertschöpfung ankurbeln. - Klimaschutz und Unabhängigkeit:
Kommunen können durch den verstärkten Einsatz von Solarenergie ihren CO2-Fußabdruck reduzieren und gleichzeitig unabhängiger von externen Energiequellen werden.
Weiterführende Informationen:
Solarpotenzialanalyse der Stadt Neubrandenburg
Solarpotenzialanalyse der Stadt Schwerin
Photovoltaik-Strategie
Leitfaden Solaranlagen der Verbraucherzentrale
Leitfaden der Sächsischen Energieagentur