Verleihung des European Energy Awards in Greifswald 2021

Auf einen Schnack mit der LEKA MV Teil 5: Dr. Stefan Braun – Klimaschutzbeauftragter der Universitäts- und Hansestadt Greifswald

Im August 2021 erhielt die Stadt Greifswald als erste Stadt in Mecklenburg-Vorpommern den European Energy Award (eea).  Die Urkunde und eine gläserne Stehle stehen für messbare und sichtbare Erfolge im kommunalen Klimaschutz. Iris Wessolowski von der LEKA MV hat im Gespräch mit Dr. Stefan Braun, dem Klimaschutzbeauftragten der Universitäts- und Hansestadt, mehr über die kommunalen Klimaschutzmaßnahmen Greifwalds erfahren.

Ilga Schwidder, die Geschäftsführerin des European Energy Awards (eea) in Deutschland, würdigte am 6. August 2021 das Klimaschutz-Team der Universitäts- und Hansestadt Greifswald im Beisein des damaligen Energieministers Christian Pegel im Rathaus mit einer Festrede: In Rekordzeit erreichte Greifswald die Fünfzig-Prozent-Hürde in den selbst gesteckten Zertifizierungszielen des European Energy Awards. Vom ersten Bürgerschaftsbeschluss über die Abstimmung mit allen Prozessbeteiligten und die Beratung durch die eea-Experten, das Setzen der eea-Meilensteine bis hin zu den umgesetzten Maßnahmen dauerte es gerade einmal drei Jahre. Üblicherweise erarbeiten die teilnehmenden Kommunen einen Fünf-Jahresplan bis zur eea-Zertifizierung, sagte Schwidder bei der Preisverleihung.

Unsere Themenfelder sind die kommunale Bauleitplanung, die Mobilitätswende und die Energiewende

Im Fall der Universitäts- und Hansestadt Greifswald konnte auf gute Vorarbeit im Bereich Klimaschutz aufgebaut werden. Der Preis würdigt diesen Prozess und seine Ergebnisse. „Wir freuen uns über die Auszeichnung. Sie ist zugleich auch Ansporn für uns, denn es gibt auch weiterhin noch viel zu tun“ , sagt Dr. Stephan Braun, Klimaschutzbeauftragter der Stadt. „Unsere Themenfelder sind die kommunale Bauleitplanung, die Mobilitätswende und die Energiewende.“ Auch auf den anderen eea-Themenfeldern, wie der Klimaoptimierung der kommunalen Gebäude und Anlagen, ist die Stadt aktiv und geht sogar über die Klimaschutzziele hinaus: „Es geht um zukunftsfähige Gebäude, die den Klimaschutz und das Thema Klimaanpassung berücksichtigen, aber auch funktional sind.“ Am Beispiel Schulen erklärt Braun, dass hier vor allem auch die Anforderungen an gute Unterrichtsbedingungen erfüllt sein müssen. So werden bei der Planung und beim Bau nachhaltiger Schulgebäude Aspekte wie die zunehmende Digitalisierung des Unterrichts aber auch Luftfilter im Rahmen der aktuellen Coronamaßnahmen mitgedacht. Deshalb baut Greifswald nach den Kriterien für Nachhaltiges Bauen des Bundes. „Das geht weit über das Thema Klima hinaus“, fasst Braun zusammen.

Seit 2016 ist Dr. Stephan Braun mit Klimaschutzfragen beauftragt. Zusammen mit seiner Kollegin Dr. Juliane Brust-Möbius begleitet er die Verwaltung. Sie managt seit 2020 die Umsetzung des „Masterplan 100% Klimaschutz“ der Universitäts- und Hansestadt Greifswald.

„Meine Arbeit beginnt mit der Kommunikation in die Öffentlichkeit zu den Greifswalderinnen und Greifswaldern“, so Braun. „Wir unterstützen, wo möglich, die klimarelevanten Aktionen in städtischen Belangen.“ Ein Beispiel: Greifswald will Fußgänger:innen, Radfahrende und den öffentlichen Nahverkehr stärken. Im Jahr 2021 beteiligte sich die Stadt bei der Aktion STADTRADELN. Fast 2.000 Radfahrende umrundeten umgerechnet achtmal die Erde. Sie fuhren 326.266 km.

Der lange Weg zum Klimaschutz

Greifswald hat sich zudem zu den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen bekannt. 2016 hat die Bürgerschaft beschlossen, die Treibhausemmissionen bis 2050 um 95 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Der damalige Zeithorizont hat sich mit dem aktuellen Bundestagsbeschluss auf 2045 verkürzt. Wie schnell Greifswald sein kann oder muss, dazu wird sich die Greifswalder Bürgerschaft noch einmal positionieren, so Braun. „Städte müssen sich verändern“, betont er. „Wenn die Stadtverwaltung heute Waren und Dienstleistungen einkauft, legen wir Wert auf Nachhaltigkeit und faire Beschaffung.“ Im kommunalen Fuhrpark der Stadt gibt es Dienstfahrräder und E-Autos. Schulen und kommunale Gebäude wurden energetisch saniert, Radwege wurden ausgebaut, Lastenräderverleihstationen und überdachte Fahrradstellplätze initiiert. Der Katalog der Einzelmaßnahmen ist vielfältig und durchdacht. Sowohl die Teilnahme am Förderprogramm „Masterplan 100% Klimaschutz“ aber auch die Entscheidung, den Zertifizierungsprozess des European Energy Awards  zu durchlaufen, waren und sind hilfreich, das wichtige Thema Klimaschutz in der Stadt voranzubringen, sagt Braun.

Nachmachen für den Klimaschutz ist unbedingt erwünscht

Nicht jede Kommune oder kleinere Stadt in Mecklenburg-Vorpommern hat so optimale Ausgangsbedingungen. Nur 38 Städte und Gemeinden des Landes sind amtsfrei und verfügen damit über hauptamtliche Bürgermeister:innen und eine eigene Verwaltung mit entsprechendem Fachpersonal. Die meisten Gemeinden haben nur wenige Einwohner:innen, unter 5000, und werden ehrenamtlich geführt. Diese 686 Kommunen sind in Mecklenburg-Vorpommern in 76 Ämtern zusammengeschlossen. Die personellen Ressourcen der Einzelgemeinden sind somit oft knapp bemessen.

Dr. Braun spricht sich abschließend trotzdem sehr dafür aus, dass auch kleine Kommunen und Städte ihren Weg in den Klimaschutz starten: „Das systematische Vorgehen hilft, die Potentiale zu erkennen und passgenaue Maßnahmenbereiche zu identifizieren. Inwiefern der eea ein zielführendes Instrument für die jeweiligen Kommunen ist, müssten diese jedoch selbst beurteilen.“ Die LEKA MV gratuliert zum Award!

Neuen Schwung für den Klimaschutz durch die neue Kommunalrichtlinie 2021

Die Website www.european-energy-award.de/european-energy-award/instrumente stellt die Informationen zu den Instrumenten in der Grafik mit Erläuterungen zum Download zur Verfügung. Die dort vorgeschlagene Ist-Analyse vor Ort aus der Perspektive des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit soll helfen, kommunales Handeln zu gewichten und aufzuteilen. 

 

Massnahmen im kommunalen Klimaschutz WichtungBild: european_energy_award_de

Gewichtung der verschiedenen Maßnahmenbereiche im kommunalen Klimaschutz, jeweils nach den Möglichkeiten von Landkreisen oder Kommunen. Bild: european-energy-award-de, 2021

Auch die Best-Practice Beispiele der Datenbank Klima-Log sollen Kommunen und Städte inspirieren, nach einer Ist-Analyse ihren eigenen Maßnahmenplan zu entwickeln. Die Möglichkeiten sind vielfältig und oft auch ohne komplexe Finanzierungskonzepte und aufwendige Förderanträge realisierbar: Beispiele sind LED-Tauschtage in Kooperation mit regionalen Partner:innen oder auch die Initiierung eines Klimatages in Kooperation mit bürgerschaftlichen Netzwerken und lokalen Klimaschutzinitiativen, um Bürger:innen aber auch Unternehmen für den Klimaschutz zu sensibilisieren und die bereits Aktiven mit den Interessierten zu vernetzen. 

Ab 1. Januar 2022 tritt zudem die novellierte Fassung der Kommunalrichtlinie in Kraft. Damit unterstützt der Bund kommunale Akteur:innen mittels Förderung dabei, Treibhausgasemissionen nachhaltig zu senken. Antragsberechtigt sind unter anderen Kommunen, Kitas, Schulen und Hochschulen, Sportvereine, kommunale Unternehmen, Religionsgemeinschaften sowie neuerdings auch Sozial- und Wohlfahrtsverbände, Contractoren und gemeinnützige Vereine. Gefördert wird ein breites Spektrum an Maßnahmen und Themen: von Personal für die Erstellung und Umsetzung von Konzepten und Maßnahmen über Machbarkeitsstudien und Beratungsleistungen bis hin zu Investitionen in den Bereichen Mobilität, Abfall und Abwasser sowie Trinkwasserversorgung.

Die Klimaschutzmanager:innen und Klimaschutzbeauftragten in Mecklenburg-Vorpommern sind gut vernetzt. Halbjährlich organisiert die LEKA MV Netzwerktreffen für den fachlichen Austausch. Der kommende LEKA MV-Newsletter berichtet unter anderem über das kürzlich stattgefundene Novembertreffen aller Klimaschutzmanager:innen in MV. 
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Interview und Text: Iris Wessolowski

Quellen und weiterführende Links


Mehr über unsere Interview-Reihe

Es gibt inzwischen immer mehr Menschen, die sich für die Energiewende einsetzen und den Ausbau der erneuerbaren Energien voranbringen wollen – in der Region, aber auch außerhalb der Landesgrenzen Mecklenburg-Vorpommerns. Wir von der LEKA möchten diese Menschen kennenlernen, mit ihnen ins Gespräch kommen – auf einen kurzen Schnack zur Energiewende. Wir wollen ihre Motivation erfahren, über Pläne und Schwierigkeiten sprechen. Engagieren Sie sich auch für die Energiewende und möchten Ihre Erfahrungen teilen? Dann melden Sie sich bei uns – auf einen Schnack mit der LEKA!

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