Windräder am Horizont in der Mecklenburgischen Seenplatte

Im Gespräch mit Karl Schmude vom Regionalen Planungsverband Westmecklenburg

Karl Schmude ist Amtsleiter im Amt für Raumordnung und Landesplanung Westmecklenburg. Was auf seinem Schreibtisch landet, hat somit oftmals auch etwas mit dem regionalen Ausbau der Windenergie zu tun. Ein heikles Thema in ganz Mecklenburg-Vorpommern. Die LEKA MV sprach mit ihm darüber, wie der Planungsverband die Flächen für Windeignungsgebiete festlegt, warum es trotz sorgfältiger Planung zu „verspargelten“ Landschaften kommen kann und was im Nachbarbundesland Schleswig-Holstein beim Windenergieausbau und der Bürgerbeteiligung besser läuft, als in MV.

Herr Schmude, welche Rolle kommt einem Regionalen Planungsverband (RPV) bei der Planung neuer Windparks zu?

Karl Schmude

Karl Schmude, Amtsleiter im Amt für Raumordnung und Landesplanung Westmecklenburg

Grundsätzlich sind Windenergieanlagen im Außenbereich „privilegiert“. Das heißt, sie dürfen dort errichtet werden, wo keine sogenannten öffentlichen Belange entgegenstehen, wie zum Beispiel der Naturschutz. Es gibt eine Untersuchung des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2013, nach der sich etwa 14 Prozent der Fläche Deutschlands grundsätzlich für die Windenergie eignen. Überall dort könnte jemand einen Antrag auf Genehmigung von Windenergieanlagen stellen. Vor diesem Hintergrund weist der Planungsverband sogenannte Eignungsgebiete für die Windenergie aus, die etwa ein Prozent der Fläche bedecken. Innerhalb dieser Gebiete können Windenergieanlagen errichtet werden, außerhalb dieser Gebiete ist die Windenergienutzung unzulässig. Das bedeutet: Die Fläche, die grundsätzlich für die Windenergie zur Verfügung steht, wird durch die Eignungsgebiete des Planungsverbands ganz erheblich eingeschränkt.

Und welche Aufgaben sind dem Planungsverband sonst noch übertragen?

Die Aufgaben des Verbandes ergeben sich insgesamt aus dem Landesplanungsgesetz. Laut Paragraf 8 muss er das regionale Raumentwicklungsprogramm (RREP) aufstellen und regelmäßig fortschreiben. Die Eignungsgebiete Windenergie sind da nur ein kleiner Teil des Programms. Es legt unter anderem fest, welche Orte Grundzentren sind und damit für ihr Umland wichtige Funktionen zu erfüllen haben – in der Regel sind das kleinere Städte wie in unserem Gebiet Rehna oder Dömitz. Im Maßstab 1:100.000 trifft das RREP außerdem Aussagen zu räumlichen Nutzungen wie Natur und Landschaft, Tourismus, Landwirtschaft, Küsten- und Hochwasserschutz, Trinkwasser- und Rohstoffsicherung. Darüber hinaus gibt Paragraf 20a des Landesplanungsgesetzes dem Verband die Möglichkeit, durch Regionalmanagement und andere Instrumente der Zusammenarbeit die Entwicklung der Region zu fördern.

Und was sind die Kriterien, anhand derer ein Windeignungsgebiet ausgewiesen wird?

Die über 30 Kriterien legen fest, wo es aus rechtlichen Gründen keine Windenergieanlagen geben darf oder, nach dem Willen der Verbandsversammlung, keine geben soll. Nur dort, wo keines der Kriterien zutrifft, bleiben die Eignungsgebiete sozusagen übrig. Die Kriterien lassen sich aus den schutzwürdigen Funktionen ableiten. Unter anderem sind das Wohnen und Erholung, Natur- und Landschaftsschutz, Trinkwasservorsorge, Gewerbe und so weiter. Jedes Kriterium steht für einen berechtigten Anspruch an den Raum, der durch die Regionalplanung berücksichtigt werden muss.

Der Ausbau der Windenergie hat sich seit dem EEG 2017 erheblich reduziert. Im Jahr 2020 sind in MV laut Deutsche Windguard nur noch 33 Windenergieanlagen ans Netz gegangen. Was ist Ihrer Meinung nach notwendig, um diesen Kurs zu ändern – auch mit Hinblick auf die Novellierung des EEG Ende 2020.

Mit dem EEG befasst sich der Planungsverband nicht, auch mit der Energiepolitik hat er nur am Rande zu tun. Im Kern muss er die Anforderung aus dem Baugesetzbuch umsetzen, der Windenergie ausreichend Raum zu verschaffen. Im aktuellen Entwurf für das Raumentwicklungsprogramm sind deutlich mehr als 7.000 Hektar an Eignungsgebieten vorgesehen. Das reicht für 700 bis 800 moderne Windenergieanlagen. Das ist eine ganze Menge. Ich denke, damit hat der Planungsverband zunächst seinen Beitrag zur Energiewende geleistet – jetzt sind die Investoren und die Genehmigungsbehörden am Zug.

Wie viel Prozent der Fläche sind in Mecklenburg-Vorpommern für die Nutzung von Windenergie ausgewiesen?

Für Westmecklenburg sind es im aktuellen Entwurf gut ein Prozent der Fläche.

Im Nachbarbundesland Schleswig-Holstein gibt es 3.673 Windenergieanlagen – in MV sind es nur 1.965 (beides Stand 2020). Obwohl Schleswig-Holstein kleiner ist und 2,5-mal so viele Einwohner hat, ist die Akzeptanz dort höher. Wie erklären Sie sich das?

Zum einen hat die Windenergie dort eine längere Tradition. Seit Anfang der 90er Jahre sind die Windparks und die Anlagengrößen in Schleswig-Holstein kontinuierlich gewachsen. Sie gehören seit 30 Jahren gewissermaßen zum Landschaftsbild. Hier (in Mecklenburg-Vorpommern; Anm. d. Red.) gibt es weniger Erfahrung damit. In manchen Teilen der Region geht es sozusagen von Null auf Hundert, das kann verstörend wirken. Wichtiger aber ist wohl die Eigentümerstruktur. In weiten Teilen Westdeutschlands gehört das Land rund um die Dörfer vorwiegend den Familien, die das Dorf seit Jahrhunderten bewohnen. Diese Familien treten nicht nur als Verpächter ihrer Grundstücke, sondern häufig als Betreiber der Anlagen auf. Ohne, dass der Gesetzgeber hier viel tun musste, ist eine Art Bürgerbeteiligung damit automatisch gewährleistet – zumindest für die Landeigentümer. In Mecklenburg gab es schon früher deutlich mehr Großgrundbesitz. Leider hat die Kollektivierung der Landwirtschaft in den fünfziger Jahren diesen Trend noch verstärkt, sodass es heute rund um die meisten Dörfer Mecklenburgs nur ein paar wenige Grundbesitzer gibt, die finanziell direkt von der Windenergie profitieren. Oft wohnen diese dann noch nicht einmal im Dorf.

In einigen Gegenden – wie zum Beispiel in Zölkow im Landkreis Ludwigslust-Parchim – stehen sehr viele Anlagen sehr eng beieinander, Stichwort Verspargelung der Landschaft. Das führt zu Protesten und weniger Akzeptanz. Haben Sie als Planungsverband Einfluss auf die Anzahl der Anlagen, die an einem Standort gebaut werden?

Nein, die Anzahl der Anlagen lässt sich nicht direkt beeinflussen, wenn das Eignungsgebiet erst einmal ausgewiesen ist. Über die Größe der Eignungsgebiete ist aber sichergestellt, dass es nicht über das ganze Land verstreut einzelne Windenergieanlagen gibt. Der Auftrag an die Regionalplanung ist klar: Lieber etwas weniger, dafür große Windparks, als flächendeckend immer wieder mal eine Einzelanlage. Zum Spezialfall Zölkow ist zu sagen: Wenn diese großen Windparks in die Jahre kommen, dann steht der Ersatz der alten Anlagen durch neue an. Und dann werden es zwar höhere Anlagen sein, die sich aber deutlich langsamer drehen und nachts in der Regel nicht mehr blinken.

Hätte man bei der bisherigen Ausweisung der Flächen die Belange der Bürger mehr berücksichtigen müssen? Was könnte man besser machen?

Hier muss man klar unterscheiden zwischen den tatsächlichen, objektiven Gefahren und den empfundenen Beeinträchtigungen. Nach meiner Ansicht sind die Belange der Bürgerinnen und Bürger durch die geltenden Regelungen ausreichend geschützt, was zum Beispiel den Lärm vom Nachbargrundstück durch einen Rasenmäher, durch eine Grillfeier, einen ortsansässigen Tischler oder eben durch einen Windpark angeht. Was die empfundene Beeinträchtigung angeht ist es so: Der eine nimmt den Rasenmäher des Nachbarn oder den Windpark in der Nähe mit Gleichmut hin, der andere regt sich auf, kennt kaum ein anderes Thema und bekommt darüber psychische Schäden. So etwas bekommt man durch Gesetze kaum in den Griff. Interessanterweise ist die Zustimmung zur Energiewende recht hoch, was die gesamte Gesellschaft angeht. Vor Ort liegt sie zum Teil, wenngleich nicht in allen Dörfern, deutlich niedriger. Das ist aber auch in anderen Feldern so anzutreffen. Viele von uns fahren gerne Auto oder fliegen in den Urlaub, nur wenige wohnen deshalb aber gerne an der Autobahn oder in der Einflugschneise.

Was glauben Sie, ist der Schlüssel für mehr Akzeptanz in der Bevölkerung?

Die Zustimmung für das Abschalten der deutschen Atomkraftwerke und die Akzeptanz für die Energiewende insgesamt, aber auch für die Windenergie, ist sehr hoch. Soweit ich weiß, liegt sie in Umfragen regelmäßig bei 60 bis 80 Prozent. Natürlich kann die Politik zusammen mit der Wissenschaft daran arbeiten, die Akzeptanz weiter zu steigern oder wenigstens nicht sinken zu lassen. Dafür müsste man als erstes den Eindruck erwecken, eine klare und nachvollziehbare Strategie für die nächsten Jahrzehnte zu haben. Zumindest auf Bundesebene war das nicht immer erkennbar. Es ist aber nicht zu erwarten, dass sich die Akzeptanz 100 Prozent annähert – das war auch bei anderen gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte nicht der Fall. Wichtig ist es für alle großen Fragen, den Nutzen einer bestimmten Entwicklung für die gesamte Gesellschaft, aber auch die Nachteile, ehrlich zu diskutieren. Denn wer überzeugt ist, dass eine bestimmte Sache sinnvoll ist, nimmt auch Nachteile in Kauf. Damit liegt der zentrale Schlüssel zur Akzeptanz unschöner Begleiterscheinungen am Ende bei jedem Einzelnen. Das fängt beim Rasenmäher des Nachbarn an, geht über Kinderlärm und das Tragen einer Maske beim Einkaufen bis zu allen Nebenerscheinungen unserer Industriegesellschaft. Nur eine gewisse Einsicht in die Notwendigkeit lässt uns tatsächliche oder empfundene Einschränkungen akzeptieren.  

Das Interview führte unsere ehemalige Kollegin Caroline Kohl im Jahr 2021.

Fazit

Karl Schmude, Amtsleiter im Amt für Raumordnung und Landesplanung Westmecklenburg, erläutert die Rolle des Regionalen Planungsverbands Westmecklenburg bei der Ausweisung von Flächen für Windenergieanlagen. Der Verband ist verantwortlich für die Festlegung von Eignungsgebieten, die lediglich ein Prozent der Fläche abdecken, obwohl 14 Prozent für Windenergie grundsätzlich geeignet wären. Schmude diskutiert auch die Herausforderungen, wie die „Verspargelung“ der Landschaft, und Unterschiede in der Akzeptanz von Windenergie zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Trotz sorgfältiger Planung sind die Bürgerbeteiligung und die Akzeptanz in MV geringer, was auf historische und strukturelle Unterschiede zurückzuführen ist.